diplombild

Detail: Das absurde gesellschaftliche Theater
Detail: Das absurde gesellschaftliche Theater
"…und der Zukunft zugewandt" - Eitempera, 240 x 270 cm, 1969
„…und der Zukunft zugewandt“ – Eitempera, 240 x 270 cm, 1969
Detail: Die skeptischen Individuen
Detail: Die skeptischen Individuen
Die Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 beendete alle meine Illusionen von einem offeneren und toleranteren Sozialismus. Die mediale Propagandakampagne, mit der wir über Wochen und Monate überschüttet wurden, brachten mir die Erkenntnis, mit meinen Bildern
die verbreiteten Lügen in Frage stellen zu können. Mit meinem großen Diplombild wollte ich einen ersten Versuch wagen. Das sichere Dach der Leipziger Hochschule und die Obhut Wolfgang Mattheuers schienen dafür optimale Bedingungen zu bieten.
Die Divergenz zwischen der gesellschaftlicher Absurdität und dem Individuum wollte ich durch die Gegenüberstellung der realitätsfernen Demonstrationsrituale und einem sich eng umschlungen haltenden Paar zeigen, das dem Geschehen den Rücken kehrt. Eine Überbetonung bestimmter, aussagekräftiger Elemente sollte die Surrealität verdeutlichen.
Durch die doppeldeutige Titelauswahl mit der der nicht mehr singbaren Nationalhymne entlehnten Verszeile „…und der Zukunft zugewandt“ und der Widmung des Bildes zum bevorstehenden 20. Jahrestag hoffte ich, die misstrauischen Kontrollorgane über meine wahren Absichten täuschen zu können.
Lange Zeit glaubte ich, dass mir dieses Vorhaben gelungen wäre. Nicht nur der sehr gute Diplomabschluss, die Anerkennung des DDR-Kulturministers, und der mit großer Begeisterung erfolgte Ankauf des Bildes durch die Schweriner Kulturbehörde, sondern auch der daraufhin erteilte Auftrag, in Schwerin ein fast 30 qm großes Wandbild zu malen, schien das zu bestätigen.
Allerdings hatte die Leipziger Sicherheitsbehörde längst andere Erkenntnisse, die sie in einem gegen mich im Mai 1969 eröffneten Vorgang festhielt, der mich als „feindlich“ stigmatisierte. Bis zum Ende der DDR und darüber hinaus sollte das meinen Weg begleiten.
Da mich die Kompromisse, die mir notwendig erschienen, um dieses Bild überhaupt öffentlich und als Diplomarbeit präsentieren zu können, nicht zufrieden stellten, malte ich 1970 ein weiteres solches Bild: „Der gewaltige Umzug“. Dabei bemühte ich mich, den Charakter der erlebten, kritikwürdigen Staatsform bildhaft deutlich zu machen, weshalb ich es nicht wagte, dieses Bild bis zum Ende der DDR öffentlich zu zeigen.
zurück